Hintergrund


Im Forschungsprojekt WELL-MED wird ein innovativer Ansatz verfolgt, der die personenbezogene Perspektive der Positiven Psychologie mit dem eher auf Bedingungen gerichteten Fokus der Arbeits- und Organisationspsychologie kombiniert. Ziel ist es die Einflussfaktoren auf Wohlbefinden und Gesundheit von MedizinstudentInnen und Assistenz- sowie TurnusärztInnen wissenschaftlich zu analysieren und Hinweise für die Prävention abzuleiten.

    Positive Psychologie

Die Positive Psychologie ist eine vergleichsweise neue Richtung innerhalb der Psychologie. Sie wurde von Martin E. P. Seligman Ende der 1990er Jahre begründet (Seligman & Csikszentmihalyi, 2000). Sowohl in der Forschung als auch in der Praxis fokussiert die Positive Psychologie im Vergleich zu traditionellen Ansätzen weniger auf menschliche Defizite und Pathologien, sondern auf die Rolle individueller Ressourcen, welche eine wichtige Rolle in der Prävention von psychischen Krankheiten spielen. Ein Beispiel hierfür sind die persönlichen Stärken ("character strengths", Peterson & Seligman, 2004), deren Identifizierung und Anwendung im Privat- und Berufsleben einen positiven Einfluss auf Wohlbefinden und Gesundheit nehmen.

Die Forschung zum Wohlbefinden kann grob in zwei Traditionen unterteilt werden (Deci & Ryan, 2008). In der hedonistischen Tradition wird Wohlbefinden im Allgemeinen als die Präsenz von positiven Affekten und die weitgehende Abwesenheit von negativen Affekten (subjektives Wohlbefinden) definiert. In der eudaimonischen Tradition wird Wohlbefinden deutlich breiter konzeptualisiert. Hier geht es nicht nur um das Erleben positiver Affekte, sondern auch darum das Leben auf eine umfassende und zu tiefst befriedigende Weise zu erleben (psychologisches Wohlbefinden). Dies beinhaltet neben dem subjektiven Wohlbefinden (z.B. Lebenszufriedenheit, positive Gefühle) auch positive Beziehungen zu anderen, Engagement, Können (z.B. Selbstwirksamkeit), Optimismus und das Erleben von Sinn und Autonomie (Su et al., 2014). In der Forschung konnten vielfache Zusammenhänge zwischen dem eudaimonischen Konzept von psychischem Wohlbefinden und Gesundheit sowie einer höheren Lebenserwartung gefunden werden (Diener & Chan, 2011). Darauf aufbauend arbeitet unser Forschungsteam mit diesem Konzept und dem Ziel, die verschiedenen Facetten so umfassend wie möglich abzubilden.

    Arbeits- und Organisationspsychologie

Die Arbeits- und Organisationspsychologie hat eine lange Tradition in der Analyse von Arbeitsbedingungen (arbeitsbezogenen Anforderungen, Belastungen und Ressourcen), die das Wohlbefinden, die Gesundheit, die Motivation, sowie die Kompetenz- und Persönlichkeitsentwicklung von Beschäftigten stimulieren oder beeinträchtigen können (Grant, Fried & Juillerat, 2010; Ulich & Wülser, 2012). Gerade auch für Arbeitstätigkeiten im Gesundheitswesen liegen hierzu inzwischen zahlreiche wissenschaftliche Konzepte und empirische Befunde vor (de Jonge, Vlerick, Büssing, & Schaufeli, 2000; Glaser & Höge, 2004). Im Projekt WELL-MED werden neben etablierten Faktoren zur Erklärung von arbeitsbezogenen Verhaltens- und Erlebensformen wie Burnout und Arbeitsengagement (Schaufeli & Bakker, 2004) auch neuere und bisher weniger untersuchte potenzielle Einflussfaktoren auf das psychophysische Wohlbefinden von MedizinstudentInnen und ÄrztInnen in Ausbildung berücksichtigt. Dabei handelt es sich z.B. um die Ausprägung des sogenannten soziomoralischen Klimas als einem Teilaspekt des Organisationsklimas (Pircher Verdorfer, Weber, Unterrainer & Seyr, 2012).

Im Rahmen des WELL-MED Projektes werden die Arbeitsbedingungen im Krankenhaus mit unterschiedlichen Methoden umfassend erhoben: Mittels quantitiativer Befragung per Online-Fragebogen im Längsschnitt, durch Besuche im Arbeitsalltag mit Fokus auf das Arbeitsklima sowie anhand persönlicher Interviews mit Ärzten und Ausbildungsverantwortlichen.